„Unterschreiben Sie!“ Meine Gedanken zur Unterschrift.

Unterschrift ist Image-Pflege

Kein Führerschein, keine Hochzeit, kein Friedensvertrag, ob im Scheinwerferlicht, vor aller Welt oder im stillen Kämmerlein, Unterschriften schreiben seit jeher Geschichte. Was mit Daumenabdruck und drei Kreuzen begann, hat das goldene Buch der Zeit längst besiegelt. Die Schrift unter Verträgen und auf Autogrammkarten ist das entscheidende Merkmal unserer Zivilisation.

Sie sind das Gelbe im Ei des Kolumbus. Die USA gehörten immer noch zu England, gäbe es nicht das Signum der Verträge und hätten diese nicht das Alphabet beherrscht. Auch Verlierer müssen unterschreiben. Wir sind von Namen umgeben, dass es nur so wimmelt. Weil wir in Kategorien denken. Ohne sie sind wir hilflos. Wir brauchen sie für die Schubladen unserer kategorischen Denkfließbänder. Jede Tätigkeit, alles Tun und Denken, jedes Lebewesen, jede Pflanze, jeder Gegenstand hat einen Namen. Aber nur der Mensch kann ihn schreiben! Und zwar so, dass keiner dem anderen gleicht. Selbst wenn es dieselben sind. Jeder Mensch schreibt mit seinem Namen seine individuelle Geschichte.

Die Unterschrift ist die reduzierte Reduktion einer Person! Manche hau’n sie nur so hin. Manche gefallen sich im Schreiben, weil sie fühlen, dass sie für einen kurzen Moment Aufmerksamkeit und Zeit schreibend in ihren Bann ziehen. Wer spüren kann, wie die Tinte just in diesem Augenblick das Leben festschreibt, der weiß was Schreiben ist. Ist die Tinte getrocknet, wird das Papier weggelegt, das Buch geschlossen und in den Schrank gestellt. Doch das Leben, dieser Augenblick im Leben jener Menschen, deren Handschrift zurückbleibt, kann als Signum individueller, unwiederbringlicher Existenz Jahrhunderte überdauern. Wer möchte als kringelige Schlangenlinie oder mit der Charakteristika eines Sägeblatts zickzackig und unlesbar in die Annalen eingehen? Dann doch wohl lieber raumgreifend und souverän? Die Unterschrift ist das Mark gebildeter Menschen. Wer denkt daran, wenn die Unterschrift dran ist? Wer denkt daran, wenn der Führerschein plötzlich unterschriftsreif ist? Wenn der eigenhändige Name auf der Cashcard stehen muss. Aber ist das wirklich plötzlich? Ist es nicht. Wir denken unlogisch. Die Unterschrift nimmt nämlich Gestalt an, sobald der erste Stift zwischen Kinderfinger wandert, „Hänschen klein“ zu kritzeln beginnt und die Lust am Schreiben erwacht. Es ist von jeher die Hauptaufgabe der Grundschulen, Kindern vom ersten Schultag an die Gewissheit einzupflanzen, dass Schreiben können aus ihnen starke Persönlichkeiten macht. Erst wer richtig und fließend schreiben kann, ist „staatstragend“ im Sinne eines mündigen Bürgers.

Aber das Schreiben-L e h r e n wurde 1969 aus unerforschten Gründen aus dem Deutschlehrplan gestrichen. Seitdem haben 73 % der Männer Probleme mit ihrer Handschrift. Tendenz zunehmend.